Die Stunde der Heuchler

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Von Sacha Wigdorovits*

Letzte Woche hat NZZ-Journalist Marcel Gyr publik gemacht, dass der Schweizer Bundesrat 1970 ein geheimes Abkommen mit der palästinensischen Terrororganisation PLO abgeschlossen hatte und ihr politische Unterstützung zusicherte, um die Schweiz vor weiteren Terrorangriffen zu bewahren.

Gyrs Enthüllungen wurden medial weitherum beachtet, und die NZZ forderte zurecht eine lücken- und schonungslose Aufklärung des Falls. Das Gleiche taten auf politischer Ebene auch die Nationalräte Alfred Heer (SVP, Präsident der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission), sein Parteikollege Erich von Siebenthal und Corina Eichenberger (FDP, Präsidentin der nationalrätlichen Sicherheitskommission). Sogar Bundesrat Didier Burkhalter zeigte Interesse an dem Fall und versprach, der Bundesrat werde ihm nachgehen.

Aber angesichts der Brisanz der Enthüllungen hätte ich weit mehr unmissverständliche Reaktionen erwartet. Denn wenn man die Umstände und Auswirkungen dieses geheimen Abkommens analysiert, das der damalige Schweizer Aussenminister Pierre Graber (SP) ausgehandelt hatte, dann kann man ohne Übertreibung vom grössten Politskandal in der Schweizer Nachkriegsgeschichte sprechen.

Damit meine ich weniger die Tatsache, dass ein Vertreter unserer Regierung mit einer damals von allen westlichen Staaten als Terrorgruppierung eingestuften Organisation ein Stillhalteabkommen schloss und ihr politische Handlangerdienste zusicherte – im Geheimen, weil der Bundesrat wusste, dass Parlament und Bevölkerung ein solch feiges Zu-Kreuze-Kriechen nie gutgeheissen hätten. Genau so wenig wie die seinerzeitigen Verbündeten der Schweiz – Deutschland, Grossbritannien und USA –, welche durch das geheime Abkommen mit der PLO von uns im Kampf gegen den palästinensischen Terrorismus im Stich gelassen wurden.

So ein Verhalten ist natürlich beschämend. Aber noch viel gravierender ist der Umstand, dass als Folge dieses geheimen Abkommens die Politik Einfluss auf die Justiz nahm. Denn die Indizien sprechen ganz dafür, dass aufgrund des geheimen bundesrätlichen Handschlags mit der PLO die Abklärungen über den Terroranschlag auf die Swissairmaschine im Februar 1970, bei dem alle 47 Passagiere und Crewmitglieder den Tod fanden, auf Bundesebene bewusst hintertrieben und deshalb die mutmasslichen Schuldigen nie angeklagt wurden. Der damalige Untersuchungsrichter sprach von einem „Mantel des Schweigens“, der (von Bern aus) über den Fall gelegt wurde.

Gerne zeigen wir mit dem Finger zum Beispiel auf Russland oder China oder Saudiarabien, wo die Justiz immer wieder Urteile fällt, die deutlich politisch motiviert sind. Das bundesrätliche Geheimabkommen mit der PLO und seine Folgen zeigen, dass wir mindestens 1970 um keinen Deut besser waren als diese Staaten – und wir haben keine Gewähr, dass es seither nicht auch zu andern krassen Verletzung unseres rechtsstaatlichen Prinzips der Gewaltentrennung gekommen ist.

Dies ist der eigentliche Skandal – und deshalb ist es schockierend, dass gewisse Journalisten und Politiker den Fall „Stillhalteabkommen mit der PLO und dessen Folgen“ sogar schönzureden versuchen. Henry Habegger beispielsweise schreibt in der „Schweiz am Sonntag“, es gebe in der Politik eben Situationen, in denen ein Regierungsmitglied zum Staatsmann werden und die Interessen der Allgemeinheit über andere Interessen stellen müsse. Also zum Beispiel über die Interessen des Rechtsstaates, der dazu dient, die Allgemeinheit zu schützen? Dümmer geht’s nimmer!

Da ist alt SP-Nationalrat Jean Ziegler, der den unrühmlichen Deal zwischen Graber und der PLO einfädelte, wenigstens ehrlich, wenn er zugibt, das Stillhalteabkommen sei höchst unmoralisch gewesen und habe den Rechtsstaat verletzt. Selbstredend, dass das Abkommen für Palästinenserfreund Ziegler trotzdem politisch richtig war.

Auch sonst hört man von sozialdemokratischer Seite keine wirkliche Kritik am Vorgehen des einstigen Genossen Pierre Graber. Im Gegenteil, aus den Worten der alt Bundesräte Micheline Calmy-Rey und Moritz Leuenberger spricht, sofern man den Medien, welche sie zitieren, glauben darf, sogar ein gewisses Verständnis für ihren 2003 verstorbenen Bundesratvorgänger.

Vor allem bei Moritz Leuenberger erstaunt dies nicht. Klar, als Jurist müsste er eigentlich die Meinung vertreten, dass der Rechtsstaat heilig und deshalb ein Einmischen der Politik in die Arbeit von Untersuchungsbehörden und Gerichten inakzeptabel sei.

Aber Leuenberger ist eben Leuenberger, will heissen: der wohl grösste Heuchler und Opportunist, der in den letzten Jahrzehnten unserer Landesregierung angehört hat. (Dies illustrierte seinerzeit sein Verhalten beim Fall von Bundesrätin Elisabeth Kopp und später zum Beispiel seine Übernahme des lukrativen Verwaltungsratsmandates beim Baukonzern Implenia, kurz nachdem er sein Amt als Vorsteher des UVEK, wo er für die Vergabe der grössten Bauvorhaben des Bundes mitverantwortlich war, niedergelegt hatte.)

Obschon bezüglich des Stillhalteabkommens mit der PLO noch viele Fragen offen sind, ist der Fall deshalb in gewisser Weise sehr erhellend. Denn genau jene Partei, die sonst selbstgerecht die Moralkeule gegen jeden und jede schwingt, die nicht auf ihrer Linie politisiert oder gesellschaftlich nicht in ihr Lager gehört, verfällt im Falle ihres früheren Parteikollegen und Bundesrates Pierre Graber in Grabesstille.

Dies, obschon Grabers (bundesrätliches) Abkommen mit einer Terrororganisation und seine offensichtliche Einmischung in die gerichtlichen Untersuchungen über den blutigsten Terroranschlag in der Schweizer Geschichte ein Skandal ungeheuerlichen Ausmasses sind.

Willkommen in der Stunde der Heuchler! [PDF: Die Stunde der Heuchler_ S. W.]

Sacha Wigdorovits war als Journalist unter anderem USA-Korrespondent der SonntagsZeitung, stv. Chefredaktor der Luzerner Neusten Nachrichten und Chefredaktor des Blick. Er gründete die Pendlerzeitung 20minuten und führt heute die Kommunikationsagentur Contract Media

11 Gedanken zu “Die Stunde der Heuchler

  1. Leider gibt es einige Vorfälle, in denen gegen die Interessen des Schweizerischen Eigenossenschaft agiert wurde, in diesem Fall von gewissenlosen Politiken und in weiteren Fällen von gewissenlosen Geschäftsleuten. Ein Beispiel:

    „Guisan’s Baracken für Auschwitz Der Sohn unseres tapferen Generals, Henri Guisan jun., sass 1943 im Verwaltungsrat der Basler Extroc S.A. Diese Firma verpflichtete sich im Rahmen eines 2-Jahres-Vertrages mit der Waffen-SS Himmlers (Vertreter: SS-Major Hans Wilhelm Eggen) zur Lieferung von 2’000 Holzbaracken aus vorfabrizierten Elementen. Wie die Wirtschaftszeitung „Cash“ berichtete, waren diese Baracken mehrheitlich für Auschwitz u.a. KZ-Standorte in Deutschlandbestimmt. Die Holzbaracken („Mannschaftsunterkünfte“) wurden durch Guisan`s Firma direkt an die Bestimmungsorte zugeführt. Bald kamen auch „Reklamationen“ in unserem Lande an: die Baracken brachen infolge zwei- und dreifacher Überbelegung ständig ein. Die Schweizer (Massivholz-)Industrie hatte somit fachlich zwar versagt,bekam diese Aufträge aber nicht zufällig zugeschanzt: die Nazis zogen, so vermutet „Cash“, die Schweizer ganz bewusst in die scheusslichen Vorgänge der Judenvernichtung mit ein. Der General war – ein weiteres Mal – die bare Katastrophe für unser Land. Heil Dir Helvetia… mit dem korrumpierbaren General!“

    PS: für meinen Vater mit etwa1000 Tagen Mobilmachung, war General Guisan ein Held.

  2. Bei dieser Gelegenheit sollte man sich auch einmal überlegen, wieso die Schweiz „Palästina“ so grosszügig unterstützt? Dies, obwohl man weiss, dass dort unsere Steuergelder in grossem Masse zweckentfremdet werden. Wieso werden ausgerechnet die pal. Politiker so märchenhaft reich? Wieso akzeptiert die Schweiz, dass in „Palästina“ Erziehungsmethoden völlig normal sind, welche hier undenkbar wären? In „palästinensischen“ Schulen (inkl. UNRWA), Moscheen, Medien, werden Kinder zum „Märtyrertod“ angespornt. Jugendlichen wird erklärt, an welchen Stellen sie zustechen müssen, wenn sie Juden umbringen wollen. Wieso unterstützt die Schweizer Regierung dubiose Organisationen wie „Breaking the Silence“?
    Wieso spricht man in den schweizerischen Medien immer noch von „Flüchtlingslagern“, obwohl die Leute zum Teil in sehr komfortablen Häusern wohnen?
    In einer UN-Resolution vom 24.11.2015 wird Israel dafür verurteilt, dass es an den Golanhöhen festhält. Israel wird aufgefordert, den Golan an Syrien zurückzugeben. Diese idiotische Resolution wurde auch von der Schweiz unterstützt. Schon vor 36 Jahren hat ein junger Tankwart mir grinsend bestätigt, dass es den Leuten viel besser gehe, seit sie unter israelischer Herrschaft lebten.

  3. Ist immer hilfreich, wenn man die Einbettung eines Schreiberlings kennt. Man ist dann seinem Motiv auch ganz nah. Würde er es ernst meinen mit dem Schweizer Rechtsstaat, würde er zur aktuellen Demontage drei mal Skandal heulen und nicht nur zweimal wie in diesem einseitigen Elaborat das von Linkenhatz nur so trieft.

    • Die „Linke“ SP hat eben braune Gülle in den Adern und verwechselt Politik mit Unterstützung von Terror.

  4. Kommt mir Meier19 und Ignaz Walker Fall Flaach Fall Gaby Coray Fall Rutz Fall …, eigener Fall, Fall…, unzählige Justizopfer in den Sinn, die Psychex die über 20’000 Dossier nun für die Presse offenlegt, und alle ob gross oder klein mussten der Justizlüge weichen – Macht vor Recht – Tod vor Leben – in den Akten als ausgetreten vermerkt – in Wahrheit Tod, in CH Gefängnissen und CH Anstalten dem normalen alltäglichen CH Justizfoltern erlegen mit Medikamenten ermordet oder mit Psycho- und Polizeilügen geselbstmordet. Dies sind harte Worte, aber klare Fakten liegen diesen Aussagen zugrunde, bei Elisabeth Kopp blieb juristisch nichts hängen, das Gleiche in anderen Fällen, traditionsbewusst musste die erste Frau – Frau Kopp – politisch getötet werden so wie man andere nicht den Mächtigen gefügigen Menschen das Mundwerk schloss und oder sie ermordete und die Morde politisch gelöst – begraben wurden – alle mit politisch administrativen Tricks – mit unserer Justiz als „verfügende Stelle“. Unser Rechtsstaat gab es gar nie und gibt es noch heute nicht – vielleicht in Zukunft – dank Internet wo viele Schwache weniger bemittelte und Unterdrückte endlich eine Stimme erhalten, danke an etwasandere Kritik WordPress Blog !

  5. Für so pragmatisch hätte ich die Schweizer Regierung nicht gehalten. Aber unter dem Deckmantel Neutralität wurden schon mit Südafrika höchst fragwürdige Beziehungen unterhalten. Eigentlich sollte einen das nicht verwundern. Jetzt möchte der Staat noch alle Schweizer bespitzeln. Da bin ich einfach strikte dagegen. Büpf nein.

    • Bin ich dagegen – bespitzelt werde meist nur jene, die sowieso Dreck am Stecken haben und das ist gut so !! Fichen war ja das grosse Thema der Linken – warum ?

    • Habe auf http://polizeierfahrungbrunschwiler.weebly.com/geheime-polizei—2fichenskandal.html über die momentane Überwachungsmethoden was geschrieben, heute geht die Polizei so weit dass sie nicht nur Daten sammelt von Drittpersonen, sondern auch noch über einem eine Zukunftsprognose macht mit Voraussage von 1. Straftaten und dann einem verhaftet und auf diesem Verhaftsrapport steht: „Darf nicht in Akten erwähnt werden“ usw. kann ich Ihnen alles liefern auf Anfrage, dies geheimen Polizeiakten – der vergangene Fichenskandal war im Vergleich zu den heutigen Verhaftungen und präventiven Diagnosen noch kein Eingriff in die Privatsphäre, obschon auch er es war… item: durch das Polizeigesetz hat jeder Polizist die Aufgabe selbst Massnahmen zur Verhinderung von Straftaten zu ergreifen, sei es Verhaftung, sei es Überwachung sei es eine Zukunftsprognose über unsere 1. Taten usw. Schlimm ist, auf Anfrage sagen die dann immer – Sie haben keine Akten bei uns ! tja – Berufsgeheimnis – diese präventive Polizeirapporte, Verhaftungsrapporte, Befragungen von vielen Personen über Betroffene seien keine Pesonalakten sondern Polizei-Eigentum argumentierte der Kommandant der Zürcher Stadtpolizei—- meine Einsprachen haben auf kantonaler Ebene zum Erfolg geführt, und ich habe Einsicht in meine Bedrohungsmanagment Akten, auch Arbetisregister Akten genannt, die geheimen Akten gekriegt, da staunte ich nicht schlecht, alles mit dem Titel „Darf in Akten nicht erwähnt werden“ kommt ein Anwalt dazu ? Nein, wie denn auch ? Offiziell inexistent 😦

  6. Kaum zu denken, dass so etwas in einer modernen Demokratie durchgehen kann.
    Andere Politiker und mehrere Verwaltungsbeamte müssen dazu doch der Komplizenschaft schuldig sein, mithin ein großer Teil des Systems.

  7. Kommt mir die Geschichte des Brigadiers Jeanmaire in den Sinn. Oder die Tinner Sache. Aber jetzt glaube ich daran, dass unsere Exekutive keine derartigen Deals mehr dreht, ausser ab und zu einem kleinen Finanzplatzgerangel oder mit etwas unter dem Deckel verbleibenden Infos zur allg. Völkerwanderung usw…
    Glauben gibt selbst Agnostikern oder Atheisten Halt im schwer zu verstehenden Sein!

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