Der Physiker und Astronom Simon Aegerter stimmt in der Analyse der gegenwärtigen Situation unseres Planeten mit den Untergangspropheten unserer Tage in weiten Teilen überein. Allerdings zieht Aegerter nicht dieselben Schlüsse wie diese. Seit fast einem halben Jahrhundert werden wir auf allerlei Niedergangsszenarien vorbereitet und auf die Grenzen des Wachstums hingewiesen – darauf, dass die Menschheit über ihren Verhältnissen lebt bzw. mehr verbraucht, als was die Erde an Ressourcen hergibt. Dabei wird ausser Acht gelassen, dass der Mensch vom ersten Tag seines Erdendaseins nichts anderes getan hat, als die Grenzen seiner Vorstellungs-, Gestaltungs- und Erfindungskraft auszudehnen. Aegerter zufolge gilt es nicht, Grenzen des Wachstums anzuerkennen, sondern viel mehr auch heute wieder das Wachstum der Grenzen weiter auszuloten. So lautet der Titel seines Buchs, das am 18. März 2020 in den Handel kommt.
Aegerters Buch besteht aus drei Teilen.
Im historischen Teil blickt er in die Geschichte der Menschheit zurück – von den Anfängen bis heute. Aegerter zieht aus der historischen
Betrachtung den Schluss: «Unser Lebensstil, unser Umfeld, unsere Essgewohnheiten, unsere Wirtschaft – alles, was wir tun und haben, verdanken wir einer Reihe von Durchbrüchen, die sich über die ganze Geschichte der Menschwerdung hinziehen. Ihr Kennzeichen ist, dass sie vorher unvorstellbar waren, Angst und Abwehr auslösten, dass sie Bestehendes infrage stellten, ja sogar zerstörten. Mit einem Wort: Sie waren disruptiv.»
Simon Aegerter, PDF: Was_ich_sagen_wollte (1)
Der zweite Teil zeigt, was die Menschheit bisher erreicht hat. «Alle Messgrössen, mit denen sich Lebensqualität messen lässt, zeigen es: Nie in der Geschichte der Menschheit ist es so vielen Menschen so gut gegangen. Sie leben länger, gesünder und sicherer, sind wohlhabender und gebildeter als jede Generation vor ihnen. Das ist das Resultat einer Entwicklung über die letzten 250 Jahre, das Resultat der industriellen Revolution.» Zwar haben auch ihm zufolge die «technische Neuerungen zu Problemen geführt. Alle diese Probleme sind durch technische oder soziale Neuerungen behoben worden.»
Alle Durchbrüche, die die Menschheit vorangebracht haben, waren vorher unvorstellbar und lösten Angst und Abwehr aus. Mit einem Wort: Sie waren disruptiv.» SIMON AEGERTER
Was heisst das für die Zukunft? Auf diese Frage geht Aegerter im dritten Teil ein. Was werden unsere Enkel erleben und was nicht? «So sind wir am Schluss wieder am Anfang: bei der Evolution. Genauer: bei der Evolution von allem und jedem – auch der Gesellschaft und ja, auch der Politik. Erinnern wir uns: Evolution heisst Mutation, Innovation. Es muss Neues entstehen.
[…] Wenn wir uns auf die Evolution verlassen können, besteht Grund zur Hoffnung. Schliesslich hat die biologische Evolution Erstaunliches vollbracht. Sie hat, ohne es zu wollen – die Evolution ist ja nicht zielgerichtet –, all die Wunder hervorgebracht, die zusammen das ausmachen, was wir heute unser Ökosystem nennen.»