Better data, better live?

Ein Gastbeitrag von Pirmin Meier Pirmin_Meier

Ich gehörte 1968, als ich mich zu Ostern als Beobachter in Berlin befand, auch später noch, zu den Kritikern der damaligen „Bewegung“. Schon der Ausdruck erinnert mich ungut an die Vergangenheit. Die Einstellung vieler Leute von damals zu bevormundenden kommunistischen Diktaturen und übrigens auch die gegenüber Israel war für mich „jenseits von Gut und Böse“.

Philosophisch noch bedenkenswert fand ich die anarchischen und anarchistischen Ansätze. Diese äusserten sich zwischen 1970 und noch bis ca. 1990 bei meinen linken Freunden in einer Verweigerungshaltung, beispielsweise Volkszählungen gegenüber. Da ich schon 1962 als Fünfzehnjähriger den Roman Orwells „1984“ gelesen hatte, liess mich diese Opposition aufhorchen. Auch fragte ich mich 1972, aufgrund welcher Datenerhebungen ich beim Staatsanwalt des Kantons Aargau als bärtiger Student und ehemaliger Störenfried bei einer Theateraufführung in den Kreis der Terrorverdächtigen geriet. Dass sich derselbe zwei Jahre nach einer läppischen Hausdurchsuchung bei mir entschuldigte, war kein Trost, dass eine solche Massnahme mich monatelang an der Weiterarbeit an meiner Doktorarbeit behindert hatte. Immerhin ist und bleibt die Schweiz ein Rechtsstaat.

Nun sieht aber Professor Georg Kreis, der bei der Unterscheidung zwischen Gut und Böse zuerst schaut, woher ein Vorstoss kommt, im Vorschlag, die nur 164 Milliönchen für das Bundesamt für Statistik um die Hälfte zu kürzen, ev. auszulagern, eine Bedrohung des entsprechenden Verfassungsauftrags. Erste Pioniere der Statistik waren im 18. Jahrhundert der hingerichtete Zürcher Landvogt Waser und im 19. Jahrhundert der Bundesrat von 1848, Stefano Franscini. Damals war der Unterschied zwischen Staat und Gesellschaft noch bekannt, was bemerkenswerterweise auch für die eidgenössische Asyltradition gilt.

Für Kreis gibt es allenfalls bei Doppelspurigkeiten zwischen eidgenössischen und kantonalen Statistiken Handlungsbedarf. Sonst beruft er sich auf den Satz „better data better live“ aus der Uno-Weltverbesserungsideologie. Der Satz könnte eins zu eins von George Orwell stammen und wäre idealer Bestandteil des von ihm geschilderten berüchtigten Ministeriums für Liebe. Im Vergleich zu einigen Nazischlagworten wie „Kraft durch Freude“ handelt es sich um einen ganz konkreten Aufruf zu mehr Staatstätigkeit, was jeden im klassischen, nicht im staatsbevormundenden Sinn liberalen Menschen aufhorchen lassen sollte. Dass sich der grüne Nationalrat und spätere Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür im Sinne der 68er für dieses Thema interessierte, machte ihn für mich einst wählbar. Die absurdeste unter den Aussagen von Georg Kreis geht in die Richtung, dass die kleineren und mittleren Unternehmen unter den Sparmassnahmen im Datenschutz leiden würden. Hier hätte er zuvor stichprobenhaft 100 Mitglieder des Gewerbeverbandes telefonisch anfragen sollen. Diese freuen sich bekanntlich über jedes Formular, das sie zur Förderung des Gemeinwohls in der Schweiz ausfüllen dürfen. Auch bei einzelnen Experten, etwa Heinz Bossert, dem politisch erfahrenen und für praktische Lösungen ansprechbaren Präsidenten des Detaillistenverbandes Luzern hätte Professor Kreis Rat einholen können

Noch wichtiger als wohl berechtigte Sparmassnahmen, die nicht mal bei der Bildungspolitik bei der Rückführung auf Kernaufträge Schaden anrichten müssen, wäre ein gutschweizerisches Bemühen um Weiterentwicklung der Menschenrechte. Noch wichtiger als der Kampf der SVP gegen fremde Richter wäre zum Beispiel das Menschenrecht, von Verkehrszählungen und dergleichen abgesehen, statistisch nicht registriert zu werden. Selber verzichte ich aus diesem Grund zum Beispiel auf Kundenkarten. Wie auch immer: der Vorstoss der SVP wäre ein willkommener Anlass, über die Weiterentwicklung der Menschenrechte nachzudenken. Better data, better live kann mir gestohlen bleiben. Ich sage dies ausdrücklich auch im Hinblick auf die weitere Bevormundung der Menschheit durch Gesundheitspolitik. Eine Homosexuellenstatistik wäre natürlich im Zusammenhang mit der Forschung über HIV informativ. Trotzdem sollten Homosexuelle wie auch stinknormale Nichthomosexuelle von der Belästigung durch Statistiken, zum Beispiel über den Anteil der Juden bei den Wirtschaftsverbrechern, in Ruhe gelassen werden. Es gibt keine Perversität, die nicht noch durch eine Statistik garniert werden könnte.

 

Ein Gedanke zu “Better data, better live?

  1. PS. Der Vorschlag, den Herr Professor Kreis kritisierte, stammte von der SVP, deshalb der Hinweis, Herr Kreis schaue bei der Unterscheidung zwischen Gut und Böse zuerst, woher ein Vorstoss komme. Unterdessen befürchte ich, das Anliegen habe auch bei der SVP und noch anderen zweite und dritte Priorität, sei nur ein Ankündigungsballon gewesen. Falls es indes einen Politiker gibt, in den in diesem Zusammenhang noch Hoffnungen gesetzt werden dürften, ist es der Luzerner ITC-Unternehmer Franz Grüter, dessen Firma im Kanton Aargau beheimatet ist. Wie auch immer: für mich war schon in der Zeit um 1968, wiewohl ich die 68er ideologisch kritisierte, die Frage nach der Herkunft eines Vorstosses mit kritischem Potential zweitrangig.

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