Einer der wichtigsten Glaubenssätze im Katechismus der Staatsgläubigkeit lautet so: Wir alle haben einen grossen, die ganze Gesellschaft umfassenden Vertrag abgeschlossen, den sogenannten Gesellschaftsvertrag, oder – wie ihn der französischsprachige Prophet Jean-Jacques Rousseau in seinem berühmten Buch von 1762 nannte – den „contrat social“. Heute, 250 Jahre später, erlebt er ein veritables Comeback. Wenn es etwa darum geht, die derzeitigen Kreuzzüge gegen Steuersünder moralisch zu unterlegen, wird gern der Gesellschaftsvertrag beschworen, den wir doch alle eingegangen seien und den es nun zu erfüllen gelte. Näheres Hinsehen zeigt allerdings, dass er weder Vertrag noch social ist.
Mit „Vertrag“ wollte Rousseau zum Ausdruck bringen, es gehe um eine Regelung, die auf dem freien Willen der Beteiligten beruht. Das war etwas Neues in jener Zeit der blaublütigen oder kirchlichen Obrigkeit, die den Untertanen Regeln aufzwang, zu denen diese rein gar nichts zu sagen hatten. Da war es durchaus löblich, ein neues Politsystem zu entwerfen, bei dem es die Rechtsunterworfenen selbst sein sollen, die als eigenständige Willensträger vereinbaren, was für sie gilt und was ihnen gut tut.
Das Modell hatte allerdings einen Haken: Wenn ein Vertrag deshalb verbindlich ist, weil man ihm aus freiem Willen zustimmt, dann kann er auch abgelehnt werden. Was nun, wenn dieser Gesellschaftsvertrag von einem Teil der Leute abgelehnt wird? Soll man dann konsequent sein, deren freien Willen respektieren und den Vertrag halt nur für jene gelten lassen, die ihm zustimmen? Oder soll man die Renitenten zum Vertragsabschluss zwingen, was natürlich ein Widerspruch zur Idee des Vertrags wäre. Leider hat Rousseau Letzteres gewählt: Gemäss Buch 4, Kapitel 8 seines „contrat social“ werden jene, die den feierlichen Eid auf den Gesellschaftsvertrag ablehnen, schlicht und einfach verbannt. Und ist der Vertrag einmal unterschrieben, steht auf seine Verletzung die Todesstrafe, wegen Meineids beziehungsweise Vertragsbruchs. – Ein Vertrag aus freiem Willen?
Und es kommt noch schlimmer: Dieser sogenannte Vertrag enthält nicht etwa Regeln darüber, wie sich die Gesellschaftsmitglieder zueinander verhalten sollen, wie weit sie ihre eigenen Interessen verfolgen, wie weit sie den Bedürftigen helfen sollen. Soziale Regeln interessieren diesen Vertrag nicht. Er will nur etwas, nämlich dass die Vertragsunterzeichner ihre angebliche Grundzuständigkeit sogleich wieder abgeben, noch bevor sie davon Gebrauch gemacht haben. Und zwar an eine staatliche Obrigkeit, die genau das Gleiche tut wie schon vorher die Monarchien: Bestimmen, was für die Untertanen gilt und was ihnen gut tut.
Vermutlich war der antimonarchistische Rousseau ausgerechnet dem Monarchisten Thomas Hobbes aufgesessen, der schon hundert Jahre früher (damals noch zugunsten des Königs) einen Machtzentralisierungsvertrag beschwor. Indem Rousseau diese Vertragsfiktion in sein eigenes Programm integrierte, rettete er – ohne es zu merken – das monarchistische Zentralprinzip in die neue Zeit hinüber. Regierende Könige begannen in der Folge zwar auszusterben, ihre monopolistischen Machtzentralen aber überlebten. Bis heute. Und noch heute erzählt man uns die gleiche, unverändert absurde Geschichte eines grossen, die ganze Gesellschaft umfassenden Vertrags, den wir alle zusammen aus freiem Willen … etc. etc., Sie wissen ja schon.
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Sezession
Ich kündige die Mitgliedschaft
In des „Volkes“ Sippen(h/sch)aft
Wo Urteile in meinem Namen
Ohne mich zustandekamen
Wo ich machtlos zuseh’n muß
Wie Ämter produzieren Stuß
In meinem Namen, heißt es, denn
Als „Volk“ bin ich der Souverän
Ich such schon lang, wo ist die nur
Meine Beitrittssignatur
Die niemals ich bewußt gegeben
Zumindest nicht in diesem Leben
Auch im letzten, ist mir klar,
War ich niemals Signatar
Ganz bestimmt im nächsten Leben
Werd ich auch keinen Segen geben
Nun zieh ich friedlich von der Leine
Verurteilt wen ihr wollt alleine
Freßt euch selbst und gegenseitig
Ich mach euch keine Beute streitig
Doch wollt ihr nun, daß ich was zahl
Und gebt mir dazu keine Wahl
So sag dem „Volk“ ich nunmehr barsch:
„Heb dich hinfort, leck mich am …“